+++ ChainReact-Ing 14.07. Häädemeeste – Tallinn +++

Der 2. Teil der lettisch-estnischen Etappe führt ins 170 km entfernte Tallinn und beendet den baltischen Abschnitt der Spendenradtour. Wow – 170 km – manchmal staune sogar ich, zumal es zu Beginn nicht nach einem 100%-Tag aussah.
Ganz am Anfang aber, quasi mit Erwachen im gemütlichen Zelt mitten in der Natur, schien die Sonne, wozu der Frühstückskaffee mit Banane einfach grandios schmeckte, was das Verständnis aufkommen ließ es würde ein leichtes Unterfangen werden. Selbst die Bäuerin, die mit ihrem Quad ihre Runden drehte, wollte nichts von mir. Widersinniger Weise fällt es einem schwer weg zu kommen. Warum? Das gute Wetter lädt zum Verweilen ein, aber besser man fährt so schnell wie möglich los, schließlich könnte es sich noch ändern. Und natürlich tat es dies.

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Und Vormittags im Schatten, wie es sich gehört.

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Der gelbe Punkt markiert den Standort.

Zu Beginn führt die Route über eine Nebenstraße an der Küste entlang durch viele kleine Ortschaften. Jedes Anwesen ist sauber gepflegt und hat ein riesiges ‚Privat‘-Schild in Sichtweite der Straße hängen. Doch schon bald geht’s wieder auf die Fernstraße. Und da ist sie, die Entfernungsangabe mit 162 km. Na gut, ich zerlege mir die Strecke in Meilensteine und beschließe alle 20 km bzw. jede Stunde eine kleine Pause zu machen, hat Tags zuvor schließlich auch gut funktioniert. Wenn da nicht dieser Hunger wäre, also kurze Pause bei km 25 und Auffüllen der Reserven.
Weiter geht’s, noch 145 km, na geht doch. Bei km 50 ist dann auf einen Schlag Schluss mit der Motivation, denn es ziehen ebenso schnell Wolken auf, es beginnt zu regnen (kurz vor Pärnu).
Das bißchen Regen… habe noch nie erlebt, dass man davon so gebremst werden kann. Aber so ist das eben.
Es sind jetzt 17 Grad C, man schwitzt, es wird kühl und man versucht sich durch Fahren oder sonstwie von innen aufzuwärmen. Zum Glück gibt es in Estland und insbesondere an meiner Strecke ein relativ dichtes Tankstellennetz und bezahlbare Warmgetränke, was ich bestimmt 4 Mal wahr nehme. Noch 80 km, abends um 19:00. Es schleicht sich langsam Gelassenheit ein, wird schon werden. Also rauf aufs Rad und strampeln. Immer mit dem Blick durch den Lenker am Vorderrad vorbei auf die Straße, mit einem Auge immer nach vorne um den gefährlichen Dingen ausweichen zu können – und es liegt viel im Weg herum, was Schaden anrichten könnte.
Dann irgendwann sind es nur noch 60 km, dann 40, man rechnet quasi damit dass jeden Moment ein Ortsschilder ums Eck kommt, noch 35 km… jetzt muss es doch langsam einmal…nein, die 35 km muss ich erst noch fahren, achso.
Sobald die Vorstadt beginnt hat man es geschafft. Ich bin eigentlich ungeschickt vorgegangen, in dem ich versuche in der Stadt zu nächtigen. Die Zimmerreservierung hat obendrein auch nicht funktioniert, lange Gespräche folgen und gegen 0:00 gibt’s endlich Abendessen, nachdem ich mich, vom Gepäck befreit, zu einem Abstecher in die Altstadt begeben habe. Noch allerhand viel los, eine kleine Stadtrundfahrt bei Nacht ist somit der heutige Verdienst.
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Morgen, Mittwoch, geht’s noch einmal bei Tageslicht in die Stadt und dann mit der Fähre nach Helsinki in der Hoffnung gleich weiter fahren zu können in Richtung Oulu und bottnisches Meer.

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Euer müder Chris.

P.S.: es gibt auch ein Couchsurfing für Radfahrer, nennt sich „warm showers“ und hat nichts mit Warmduschern gemein. Leider sind die bisher angefunkten Personen nicht so spontan wie ich 😉 und benötigen teilweise eine Woche Vorlauf :?. Aber ab Finnland geht’s sowieso erst einmal mit Zelten weiter…

+++ ChainReact-Ing 12./13.07. Riga / Riga – Häädemeeste +++

Es wird spontan ein freier Tag in Riga eingelegt. Riga kann man so oder so sehen, viele genießen hier eher ausgiebig das Nachtleben als sich mit der Geschichte der Stadt und des Landes auseinander zu setzen. Mir schwebt eher letzteres vor und das möglichst effektiv, da heute Regeneration auf dem Programm steht – sprich nicht viel bewegen ;). Am Nachmittag starte ich mit einer old-school Straßenbahn in die Altstadt und suche die Markthallen auf in denen es für die Augen allerhand zu sehen gibt. Scheinbar unzählige Menschen bieten innen wie außen unzählige Waren an. Es geht hinter den Hallen sogar noch weiter und so vertrödel ich relativ viel Zeit. Es bleibt für das städtische Museum keine Zeit und so suche ich die Skybar im Radisson-Hotel auf um den relativ guten Rundumblick auf die Stadt zu erhalten. Sie ist sogar kostenlos, man muss nichts kaufen.
Beim Blick in Richtung Altstadt springen mir förmlich die vergoldeten Zwiebeldächer der orthodoxen Kirche ins Auge.

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Sie steht als eines von vielen höchst unterschiedlichen Bauwerken für die vielen Herrschafts-Epochen, unter dessen Einfluss das Land bisher stand. Fotos sind verboten, ist natürlich sehenswert.
Wie mir zuvor in der Straßenbahn durch einen lettischen Schüler nahegebracht wurde, findet in Riga heute auch das Finale des einwöchigen Volksliedsingens statt, bei dem insgesamt ca. 30.000 Schüler teilnehmen. Deswegen treffe ich auch überall in der Stadt auf traditionell gekleideten Personen. In Lettland sind die unglaubliche Zahl von 2 Mio. Volksliedern etwas ganz besonderes und dies wird eben einmal im Jahr gefeiert.

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Traditionelle Sänger

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Denkmal

Der folgende Tag fordert meine ganze Motivation. Ich komme relativ spät los und muss zudem noch Besorgungen machen, Kette tauschen und, und, und. Obendrein hat das 310 km-Stück nach Tallinn mit anschließender Fährfahrt den Anspruch besser in 2 Tagen absolviert zu werden. Erschwerend kommen allerhand Baustellen hinzu, bei denen man schon mal 20 Min. warten muss (mutige, ungeduldige Motorradfahrer begeben sich auch direkt in den Gegenverkehr: kaputt).

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Der linke Biker fährt gleich los...

Dem Gegenwind begegne ich heute mit frischer Gelassenheit und fahre den Großteil der Strecke in Liegeposition. Der Verkehr stört mich auch nicht weiter. Es läuft so dahin.
Gegen Abend dann noch einmal ein Baustellenmarathon, dem ich gezielt ausweiche um nicht vor den LKWs hergetrieben zu werden.
Bei km 120 passiere ich die Grenze zu Estland, der Blick vom Meer auf den Sonnenuntergang bleibt mir jedoch verwährt, es ist 22:00.

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Vor dem Sonnenuntergang

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Hinter Ainazi

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Kleine Kirche

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Nach dem Sonnenuntergang

Bei km 130 tun sich wundervolle, öffentliche Campingplätze am Strand auf. Dennoch müssen die 150 km erreicht werden um in etwa die Hälfte der Strecke zu absolvieren. Dafür bin ich ganz schön am Suchen um hinter Häädemeeste einen günstigen Zeltplatz zu ergattern. Es gelingt mir und so koche ich gegen 0:00 zwischen Rindergekröle und einem Orchester aus Vögelgeschnatter meine wohlverdiente Pasta. Es ist übrigens noch nicht ganz dunkel an diesem Ort der Welt, einer Art Biosphärenreservat. Da hier eine Blockhütte steht ist campen sicher erlaubt! 😉

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Nudeln mit Erdnüssen gesalzen

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Hmm yummi!

P.S.: vielen, vielen Dank für eure Unterstützung, weiter so!

Euer Chris

+++ ChainReact-Ing 11.7. Bauska – Riga +++

Etwas Erholung nötig kann ich mich am Morgen des 14. Reistages kaum von meinem Zelt lösen. Beim Zähneputzen wird klar, dass der Wind auf Nord gedreht hat und mir für jede erdenkliche Route im Weg sein wird. Und so kommt es auch, nachdem klar wird, dass sich dieser fiese Wind trotz meiner Stoßgebete nicht mehr auf seine gestrige West-Richtung zurück dreht. Die Route führt mich also über das nette kleine Örtchen Bauska auf einer Bundesstraße nach Riga und damit zurück in die Zivilisation.

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Mit dem normalen Fahrstil werde ich natürlich richtig gebremst und schaffe gerade 14 km/h. Zum Glück kann ich mich auf den Lenker legen und den cw-Wert der mobilen Schrankwand etwas verbessern. Insgesamt bleibt dies aber ein mehr als anstrengendes Unterfangen. Dafür, dass es bloß ein halber Fahrtag ist, waren die 90 km völlig ausreichend.

Wie schön urplötzlich auf so riesi
ge Ortsschilder zu treffen… zum Glück waren ein paar Jugendliche vor Ort um ein Foto zu machen.

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In Riga angekommen fühle ich mich überhaupt nicht als Tourist, obwohl das Stadtzentrum danach ausgerichtet ist. Ich finde das Erreichen dieses Ziels ist einer kleinen Aufmerksamkeit würdig und somit gibt’s zur Feier des Tages einen Cocktail im Cuba Café. Damit sind insgesamt zwei Wochen der insgesamt 5 1/2 Wochen beendet.

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Wo ich bisher stehe und wie es weiter geht:

bisher wurde innerhalb der Tour von Uwe und mir eine Strecke von über 1660 km zurück gelegt, falls jmd. daran interessiert ist diese nachzufahren. Mit dem ca. 300 km Teilstück Riga – Tallinn wird diese Festlandetappe beendet bevor es mit der Fähre nach Helsinki geht. Im weiteren Verlauf ist anschließend die Umrundung des bottnischen Meerbusens geplant (ich hoffe ich lehne mich damit nicht zu weit aus dem Fenster). Da die Routenplanung noch nicht abgeschlossen ist, kann diese Strecke noch variieren, ich lass mich einfach überraschen.

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Ich wünsche noch einen schönen Sonntag, genießt das hoffentlich schöne Wetter – evtl. bei einer Fahrradtour 😉

P.S.: für alle neu hinzu gestoßenen: die geplante Route über Minsk und St. Petersburg kann nicht gefahren werden, da die Pässe nicht rechtzeitig ankamen  (Poststreik in Deutschland). Demnach wird es einen Bypass übers Baltikum  geben und das Ziel Stockholm bleibt bestehen.

Euer Chris

+++ ChainReact-Ing 10.7. Kedainiai – Irgendwo in Lettland +++

Das durchwachsene Wetter werde ich nicht los, so scheint es. Mit Verlassen Kedainiais gibt es entweder stürmischen Wind, Regen oder beides. Zunächst geht’s 30 km gemütlich auf asphaltierter Straße daher. Ab Krekenava, das wiederum in einem Naturpark liegt und eine interessante Kirche besitzt, wird daraus Schotterweg unterschiedlicher Qualität.

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Dies ändert sich die noch folgenden 100 km nicht. Es schüttelt mich zwar ordentlich durch, mein Rad und ich wir halten das aber aus.

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Endlich mal keine Straße mit engem Seitenstreifen und andauernden Überholmanövern. So wie es aussieht gibt’s heute nichts dazwischen. So lerne ich wenigstens auch noch die ländliche Gegend Litauens kennen, die nur noch einen Bevölkerungsanteil von 30% haben soll. Entsprechend verlassen schaut es manchenorts aus.

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In diesen Gegenden werde ich im Übrigen auch wie der Mann vom Mond angestarrt, vor allem wenn ich gerade aus einem Regenschauer komme. Die kleinen Läden führen vieles und vor allem auch alkoholisches. Es ist leider wahr, dass die Herren mittags stramm durch die Gegend torkeln, was auf einen durchgängig hohen Alkoholkonsum hindeutet und deren 10 Jahre geringere Lebenserwartung gegenüber den Frauen erklären kann. Es gibt neben den kleinen Tante Emma Läden keine Cafés oder ähnliches, somit  ist es ungewöhnlich und mit Aufwand verbundenen an einen heißen Kaffee heranzukommen. Das erst einmal geschafft zu haben freute mich wirklich, man stelle sich vor 6 h bei dem Wetter kühlen einen schon etwas aus und es sollten ja noch mehr werden bis zur Grenze.

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Nach jeder kleinen Ortschaft geht es wieder hinaus aufs Feld bzw. in die Wälder. Dieses Mal musste ich mich schon sehr auf den Weg und seine vielen Abzweigungen konzentrieren um mich nicht zu verfahren.

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Und irgendwann dann habe ich es tatsächlich geschafft und überquere die Grenze zu Lettland.

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Irgendwo im Nirgendwo schlage ich mein Zeltlager auf und höre mir den stürmischen Wind aus dem Schlafsack heraus an. Das tut gut.

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Vielen Dank für die Spenden, macht weiter so, schließlich will ein Spendenziel über 7.500 € erreicht werden und das klappt ausschließlich mit eurer Hilfe! Ihr seid das Rückrat der Aktion. Wenn es euch gefällt freut’s mich und momentan kann ich mich nicht beklagen. Aber da geht bestimmt noch mehr!? 😉

Euer Chris

+++ ChainReact-Ing 4.7.: Sieradz – Lodz +++

Samstag früh um 11:00 (also wir haben heute Zeit) schwingen wir uns in die Sättel und cruisen nach Lodz. Die zunehmenden Temperaturen (ca. 32-34 Grad C) fordern uns richtig heraus, sodass der Wasserverbrauch im Verhältnis zur Temperatur gleich überproportional steigt. Wir fahren die 56 km auf Zubringern ins Zentrum um Abends gleich noch einen Abstecher unternehmen zu können. Es ist wie in jeder Großstadt, am Ende sind wir auch nicht viel  langsamer als alle anderen Verkehrsteilnehmer – und irgendeinen Vorteil muss diese Schinderei heute doch mit sich bringen!? In Polen ist das ländliche und das vorstädtische ziemlich herunter gekommen. Straßen, Brücken, Häuser und alte Industriebaracken säumen den Weg und gestalten unsere Strecke auch irgendwie „interessant“. Und dann, von einem Moment auf den anderen, und zwar genau dann wenn der Skoda von 1980 von neuen Audis, und die alten, hohen Straßenbahnen durch moderne Niederflurstraßenbahnen abgelöst werden, genau dann zeigt sich das moderne Polen von seiner willensstarken Seite, wieder einmal eine Stadt der Moderne neu zu erschaffen -auch wenn nicht immer alles fertig sein kann, wenn wir einfallen! Aber schwer fällt es uns schon, das wahre Lodz zu erkennen.
Da das so ist stöbern wir ein wenig im Internet, sprechen mit ein paar Einwohnern und anderen Touristen. Im Grunde ist es die Jugend, die etwas aus der Stadt macht und brach liegendes Gelände nutzt (Infrastruktur über EU-Mittel; Geschäfte, Kaufhäuser und Hotels über Investoren). Nicht nur Kneipen, wie sie in der Piotrkowska-Straße zu Hauf zu finden sind, sondern eben allerlei Kunst und Gestaltung. Wir entscheiden uns bei dem knappen Zeitbudget für die Fußgängerzone eben dieser Straße und lassen Museen und Co links liegen.
Fürs Abendprogramm spricht nicht so viel, da es am kommenden Tag ja weiter gehen soll (wenn wir uns nur einig wären wohin nun genau). Also genießen wir den Abend in einer Nebengasse bei leckerer Pizza und wenden uns später wieder der Reiseplanung zu.
Was genau wird nun neu gebaut?
Man hört von dem Hauptbahnhof, der untertage verlegt werden soll (bzw. es bereits sein müsste).
Die ganze Innenstadtstraßenführung ist aufgerissen, es wird so gesehen überall im Zentrum neu gebaut. Scheinbar wird ein Teil der Straßenbahnen (nicht zu verwechseln mit S-Bahnen) unterirdisch verlaufen.
Moderne Hochhäuser wachsen neben alten Jugendstilgebäuden empor. Viele derer sind echt herunter gekommen, aber eben fast nicht in bzw. nahe der Piotrkowska-Straße, und wenn man diese Straße nennt muss man erwähnen, daß Lodz eine Filmstadt ist, und sich auf dieser Straße ein ‚Walk of fame‘ polnischer Stars ebenso befindet wie unzählige Namen von Einwohnern.
Durch diese gezwungener Maßen autofreien Zonen ist die Luft auch etwas besser, was mich ganz besonders freut!
Aber nun ein paar Bilder…

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C + U

Veröffentlicht unter Polen