Natürlich wurde die Strecke nicht Fahrradfahrer freundlich getaltet und es geht nun insgesamt mind. 70 km so weiter, bergauf & bergab. Erste ersehnte Ablenkung ist der Nationalpark „Skuleskogen“, an dem ich nach mehrmaliger Aufforderung nicht vorbei komme. Er hält viele Wanderwege und ebenso Plätze zum Übernachten parat und führt auf die höchsten Stellen der sich immer noch erhebenden Küsten (ca. 8 mm pro Jahr, zurückzuführen auf nachlassenden Eisdruck nach der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren). Sobald also der Einstieg in diesen speziellen Park erreicht ist kann es losgehen, standesgemäß den Rollstuhlpfad entlang mit dem Fahrrad (Pitstop).
Der wunderbare Ausblick lässt erahnen, was man noch alles entdecken könnte, würde man sich 1-2 Tage zu Fuß Zeit nehmen: z.B. die Schlucht Slattdalsskrevan. Eine gewisse Strecke lege ich zu Fuß zurück und erfahre das Geheimnis dieser vorzeitlichen Gegend, ihren Wald und das Moor, entscheide mich aber aufgrund der fortgeschrittenen Zeit zur Weiterreise mit dem Rad.
Ich lande abends auf einem urigen Fischercampingplatz in der Hoffnung einen leckeren Fisch essen zu können ohne ihn vorher auch noch selber fangen zu müssen. Tja, was soll ich sagen, es hat sich gelohnt.
Wobei die Moskitos heute wieder besonders viele Nerven gekostet haben. Es gibt einfach bloß ein bewährtes Mittel gegen Moskitos: Fahrradfahren oder Zelt, also Fahrradreisen.
Der Mittwoch beginnt wieder sonnig, einen Großteil der Högen Kusten habe ich bereits hinter mich gebracht und so wartet die Überquerung einer stattlichen Brücke auf mich mit Blick auf Küsten- & Seenlandschaft.
Im weiteren Verlauf muss ich die E4 verlassen und auf die Landstraße ausweichen. Kurze Zeit später fährt der Triathlet Tomö an mich heran. Wir kommen ins Gespräch und fahren glatt 20 km zusammen bis Härnösand, wobei er mir viel über seine Ambitionen, die Umgebung und natürlich die optimale Streckenauswahl erzählt. Er lenkt mich somit sehr effektiv von der Strecke ab, was ich ihm hoch anrechne. In Härnösand wird dann erst einmal eingekauft, aufgetankt und mit weiteren Reiseradlern gesprochen. Keine 10 km aus dieser Ortschaft raus treffe ich auf eine Rennstrecke, auf der heute sogenannte Driftrennen mit privaten, getunten Fahrzeugen gefahren werden. Die Empfangsdamen sind so begeistert über mein Interesse, dass ich gleich kostenlos eingelassen und mit Lautsprecheransage angekündigt werde. Welch witzige Aktion, denn im Verlauf des Abends bekomme ich ständig zu hören „so you are the man with the bicycle and you drove all the way with your bike?“ 😉
Gegen 21:45 erspähe ich ordentliche Regenschauer am Horizont über 270 Grad, Grund genug für mich weiter zu ziehen. Einer Intuition folgend steuere ich alsbald einen netten kleinen Campingplatz an ohne dass ich ihn brauchen würde. 10 Sekunden nach Abschluss des Zeltaufbaus beginnt der schwedische Monsun wieder von Neuem… und hält mindestens die ganze Nacht an. 3500 km bisher, langsam müsste ich mal wieder etwas Strecke machen.
P.S.: die sogenannten Driftrennen sind reine Gaudi und geben den Menschen Gelegenheit Gas zu geben. Zum Einsatz kommen aberwitzige Fahrzeuge wie uralte Volvo, BMW, Audi – die nichts mehr enthalten außer Motor und zwei Sportsitze. Daneben finden sich neuere japanische PKW ebenso wieder (RX8, Toyota) wie amerikanische Mustang und Hot Rods. Allen gemeinsam: ohrenbetäubender Lärm und relativ viel Reifengummi pro Abend.
Und weil es zum Hobby vieler Schweden gehört, wollte ich mir dieses Schauspiel nicht entgehen lassen.
Euer Chris